Warum nicht mal ’ne scheiß Frauenband? – Interview mit Gudrun Gut

gudrunGut.jpg„Warum nicht mal `ne scheiß Frauenband?“

In den 80ern war sie Gründungsmitglied derEinstürzenden Neubauten, später die Grande Dame des deutschen Techno. Heute ist Gudrun GutMusikerin, Produzentin und Labelinhaberin. Ihre Plattenfirma monika enterprises hat fast ausschließlich weibliche Künstlerinnen wie Barbara Morgenstern oder Myra Davies unter Vertrag.

Gudrun Gut, warum konzentrierst Du Dich auf Bands mit weiblichen Künstlerinnen? Machen Frauen bessere Musik?
Ja, ich finde schon. Ich beantworte die Frage natürlich relativ häufig: „Warum signst du nur Frauen?“ Das stimmt nicht ganz. Bei monika enterprises gibt es auch Männer, aber die müssen dann besonders gut sein. Genau wie Frauen bei normalen Labels auch besonders gut sein müssen, damit sie gesignt werden.
Hat man es als Frau schwerer, einen Vertrag mit einem Label zu bekommen?
Das weiß ich nicht. Aber es ist Tatsache, dass bei einem normalen Musiklabel die Frauenquote so ist wie bei mir die Männerquote.
Muss man sich als Frau eher rechtfertigen, wenn man auf der Bühne stehen will als als Mann?
Nein. Es gibt natürlich viele Frontfrauen in der Musikszene, Sängerinnen, die oft die Stücke gar nicht selber schreiben. Beim Label und mir selbst geht es darum, dass die Frauen tatsächlich auch ihre eigene Musik machen. Dass es weiter geht, als nur hübsch auszusehen oder eine gute Stimme zu haben.
Haben Frauen es schwerer in der Rockmusik?
Ich habe beobachtet, dass am Anfang von solchen Bewegungen Frauen immer ganz vorne dabei sind. Aber wenn es um eine Professionalisierung geht, darum, den Fuß auf die Erde zu bringen, sortieren sie sich schnell aus. Ich glaube, dass die Netzwerke – die Musiknetzwerke – männerbesetzt sind. Man muss sich mal die Zeitungen angucken, die Vertriebe. Wieviele Frauen arbeiten da an welcher Stelle? Auch die Musikzeitungen. Das sind fast alles nur männliche Redakteure.
Ist es nicht so, dass sich einfach weniger Frauen für Musik interessieren?
Warum? – frag ich mich da. Also, wenn es so ist, warum. Ich glaube das nicht. Weil in der Schule ist es ja so, dass gerade Musik doch eine Frauendomäne ist.
Du hast die Entwicklung der Frau in den letzten Jahrzehnten miterlebt. Hat sich etwas verbessert?
In der Musikbranche hat sich das nicht richtig verändert. Das merkt man erst, wenn man etwas länger dabei ist. Als ich angefangen hab – mit 19, 20 Jahren – war die Welt offen. Da war alles gleich, völlig egal, ob Mann oder Frau. Erst wenn man etwas länger dabei ist, merkt man plötzlich, dass es doch nicht so gleich ist, wie es erst den Anschein macht. Das sehe ich auch bei den jungen Künstlerinnen. Anfangs ist das gar kein Thema. Erst wenn man weiter eingetaucht ist, merkt man das plötzlich. Man muss sich mal das Line-Up von Musikfestivals angucken. Das ist wirklich hart. Es sind so gut wie keine Frauen dabei, noch nicht mal zehn Prozent. Das muss man einfach mal so nebeneinander halten. Und es ist keine Qualitätsfrage. Ich war schon auf vielen Festivals, und da sind immer scheiß Bands dabei. Warum nicht mal ‘ne scheiß Frauenband nehmen? So sehe ich das. Es muss ja nicht immer alles so wahnsinnig gut sein.
Was sind für Dich die Gründe? Woran liegt das?
Das liegt daran, wer der Kurator ist, wer die Sachen aussucht. Das sind Jungs. Ich habe ja auch schon ein paar Sachen mitkuratiert und ich glaube, ein Festival, bei dem Frauen dabei sind, ist immer interessanter. Wenn es zumindest eine 30/70 Quote ist. Schöner wäre natürlich 50/50. Und es funktioniert ja auch. Es gibt genug gute Frauenbands oder Einzelkünstlerinnen. Deswegen, finde ich, kann man ruhig eine Quote einführen.
Du bist für eine Quote?
Absolut. Ja.
Zum Beispiel im Radio oder auf Festivals?
Alle, die Radio oder Fernsehen machen oder Festivals veranstalten, könnten zumindest darüber nachdenken.
Was zeichnet Deine Künstlerinnen aus?
Meine Künstlerinnen zeichnet aus, dass sie alle sehr gut sind (lacht). Nein. Mein Kriterium ist immer, dass die Künstlerinnen, die ich signe, nicht unbedingt das machen, was alle machen, sondern, dass sie einen eigenen unverwechselbaren Stil haben und selbstständig arbeiten. Das gilt für Männer, aber auch für Frauen. Wir haben zum Beispiel ein paar gute Männer dabei. Auf die trifft das auch zu. Da muss schon eine besondere künstlerische Kraft dabei sein.
Bist Du politisch motiviert im Sinne eines Feminismus?
Ich weiß nicht, die Motivation kommt eher daher, dass ich selber auch Musik mache, und dass ich es immer ernster genommen hab, wenn ich eine Frauenband gesehen hab. Das hat mich immer mehr angespornt für meine eigene Musik, als dass ich jetzt männliche Einflüsse gehabt hätte. Die weibliche Stimme in der Popmusik ist für mich einfach interessanter.
Also diente Dein Engagement dem Selbstzweck?
Absolut. Ja.